Wo be-finden wir uns?
Wie stehen wir zur Welt im Stadtraum?
Wie begegnen wir kolonialenTraditionen?
Welche Geschichte]n erscheinen uns? Welche Mythen?
Wie gehen wir um mit kolonialen Straßennamen?
Mit Ehrungen für Peters, Lüderitz, Nachtigal?
Mit Ansehen und Wirtschaftskraft, gewonnen aus Kolonialraub, Sklaven- und Zwangsarbeit?
 
Weiße Flecken Topographie

  • erkundet im Afrikanischen Viertel in Berlin die Gegenwart des Kolonialen und regt eine Debatte über unsere Kolonialvergangenheit an.
  • regt an, in Begehungen und Dialogen die Bedeutung eines vordergründig begrenzten Stadtraums im globalen Gefüge und unsere Beziehung zu diesem Ort zu untersuchen.
  • lädt ein, in einem Weltlauf durch den Stadtteil materiellen und mentalen Spuren nachzugehen und alternative Topographien und Kulturen zu setzen.
  • regt an, auf dieser Webseite über Chancen transkultureller Erinnerung zu debattieren.
  • ist eine topographische Installation im Stadtraum mit weißen Schildern und schwarzen Schatten und eine Initiative zur Vernetzung von Menschen, die sich an der Diskussion um Umbenennungen von kolonialen Straßennamen beteiligen. Da wird Stadtraum zum [Malhinter]Grund von Erinnerung, zum Ort von BeSchreibung, und eigene Koordinaten bilden neue Zeichen gegen imperiale Ehrungen.
  • verbindet Installation und Beteiligung mit performativen postkolonialen Stadtrundgängen und thematisiert dabei die historischen Zusammenhänge zwischen vorhandenen und vorgeschlagenen Straßennamen.
  • lädt Jugendliche sowie Schulklassen im Politik-, Geschichts- und Kunstunterricht ein, sich mit Kolonialgeschichte und Neokolonialismus auseinander zu setzen und neue, kreative Straßenplaketten zu entwerfen.
  • lädt Nachbarschaften, Entscheidungsträger, Bezirksverwaltung und -politik, NGOs, Black Communities, Migrantenorganisationen und Medien zu einem offenen Dialog ein.
  • gibt nachhaltige Impulse zur Weiterführung der Debatte, auch nach der Projektlaufzeit.
  • regt an, die weißen Schilder über einen längeren Zeitraum vor Ort zu belassen, bestenfalls bis zur Umbenennung der Straßen.
  • dokumentiert die Debatte auf dieser Webseite.
  • gibt Impulse für eine stadtweite erinnerungskulturelle Markierung der Kolonialtopographie.

 
Vorangegangene Projekte:
Kunst im öffentlichen Raum, Debatte und Beteiligung
 
Mit den Projekten afrika-hamburg.de und wandsbetransformance hat HMJokinen mit künstlerischen Mitteln und Methoden die weitgehend verdrängte Kolonialgeschichte, ihre Spuren im Stadtraum sowie Chancen transkultureller Erinnerung erforscht. Dabei wurden PassantInnen, StadtteilbewohnerInnen, Schulklassen und Initiativen zur aktiven Beteiligung eingeladen.
 
Im Rahmen von afrika-hamburg.de (2004/2005) hat die Künstlerin den Stadtraum mit dem öffentlichen Internet-Raum verbunden. Sie setzte das umstrittene Wißmann-Denkmal, das nach seinem letzten Sturz 1968 in einem Keller magaziniert war, erneut dem Licht der Öffentlichkeit aus. Vierzehn Monate lang wurde das Monument auf der Überseebrücke in Hamburg den Blicken der Öffentlichkeit preisgegeben. Ein schwergewichtiges Dokument beinahe vergessener Stadtgeschichte wurde wieder sichtbar. Das Projekt kreierte einen Nachdenkmal-Raum am Hafen und einen zweiten zur Debatte und Mitwirkung im Internet. Auf der Webseite www.afrika-hamburg.de und vor Ort im Stadtraum wurde das Wissmann-Denkmal und die Kolonialvergangenheit kontrovers debattiert. Die zahlreichen Web-Postings
geben Zeugnis davon, wie sehr das Thema die Gemüter bewegt hat. Das vorgeschlagene Folgeprojekt park postkolonial (www.afrika-hamburg.de/parkd.k.html), ein postkolonialer Lernort, ist geplant.
 

Projekt afrika-hamburg.de: PassantInnen studierten und diskutierten das koloniale Wissmann-Denkmal am Hafen Hamburg.

 
Für das Projekt wandsbektransformance - Die Gegenwart des Kolonialen (2008/2009; www.wandsbektransformance.de) in Hamburgs Nordosten lud HMJokinen ein, im öffentlichen Raum in Hamburg-Wandsbek zu arbeiten. Das forschende Kunstprojekt ging dazu materiellen und mentalen Spuren nach und setzte Zeichen. wandsbektransformance erinnerte an den transatlantischen Sklavenhandel und untersuchte in Begehungen und Dialogen, Interventionen und Installationen die Bedeutung eines vordergründig begrenzten Stadtraumes im globalen Gefüge und unsere Beziehung zu diesem Ort. In ihrem Weltlauf durch Wandsbek setzten Kunstschaffende und StadtteilbewohnerInnen, Schulklassen und HistorikerInnen, MigrantInnen und Initiativen eigene Koordinaten. Da wurde Straße zum [Mal]Grund von Erinnerung, zum Ort von BeSchreibung, und lebende Körper formten neue Monumente gegen imperiale Zeichen.
 

Projekt wandsbektransformance: Arbeit im öffentlichen Raum mit Kunstschaffenden, MigrantInnen, Schulklassen, PassantInnen, StadtteilbewohnerInnen (Reader zur anschließenden Tagung: www.wandsbektransformance.de/PDF_WT/SchimppReader.pdf)

 
Für die Installation Wissmannstraße, vorübergehend (2008/2009; www.wandsbektransformance.de/tafel.html) bat die Künstlerin sieben ExpertInnen um einen Textvorschlag für die kritische Kommentierung der den Kolonialgouverneur Hermann von Wissmann ehrenden Straße in Hamburg-Wandsbek. Die sieben sehr unterschiedlichen Texte wurden als Installation temporär am Straßenmast der Wissmannstraße befestigt. PassantInnen lasen die Texte und diskutierten vor Ort. Die BewohnerInnen der Wissmannstraße wurden in Filminterviews nach ihren Ansichten zum Thema und nach weiteren Textvorschlägen gefragt. Nach Abbau der Installation ließ die Künstlerin am Straßenmast eine weiße Plakette hängen als Projektionsfläche und Aufforderung für weitere Debatten.
 

Installation Wissmannstraße, vorübergehend

 
 
Straßenumbenennungen in der postkolonialen Erinnerungskultur
und in der öffentlichen Debatte
 
Erinnerungskultur ist ein dynamischer Prozess. Kunst kann weitgehend verdrängte und vergessene Geschichte im Stadtraum wahrnehmbar machen und offene, assoziative Felder für neue An- und Einsichten kreieren. Sie setzt Zeichen, lädt zur Beteiligung und zu öffentlicher Debatte ein.
 
Europaweit sind in den Städten zahlreiche Straßen nach Kolonialakteuren benannt: nach Sklavenhändlern, Handelsherren und Kolonialoffizieren; andere erinnern an ehemalige Kolonien, an Plantagen, Kolonialwaren oder Kriegschauplätze. Während in den einst kolonisierten Ländern solche Straßen nach Erlangung der Unabhängigkeit zumeist umbenannt wurden, sind wir in den westlichen Metropolen nach wie vor umgeben von mannigfaltiger imperialer Topographie (Gebäude,
Industriebauten, Parks, Denkmäler, allerlei Allegorien etc.) und kolonial konnotierten Straßennamen. Straßen, die Nazigrößen ehrten, sind überall umbenannt worden, während solche, die koloniales Unrecht romantisch mythisieren, weitgehend unkommentiert geblieben sind. Kaum ein Ort in unseren Städten erinnert an die Opfer der immerhin 500 Jahre währenden Kolonialgeschichte oder an Persönlichkeiten des antikolonialen Widerstands.
 
Initiativen und NGOs in Deutschland und anderen europäischen Ländern stellen aktuell die kolonialen Straßennamen zur Debatte und werfen dabei wichtige Fragen auf:

  • Wie kann sich angemessene Erinnerungskultur in einer globalisierten Gesellschaft gestalten?
  • Wie können wir koloniale Stadttopographien wahrnehmen, was können wir von ihnen lernen?
  • Sollen koloniale Straßenamen kritisch kommentiert werden, und wenn ja, wie können wir uns auf einen - historisch fundierten - Tafeltext einigen?
  • Reicht eine kritische Kommentierung von Straßennamen mit einem Zusatzschild aus, wenn mit ihnen Kolonialverbrecher geehrt werden?
  • Oder sollen diese Straßen umbenannt werden?
  • Wie können wir erreichen, dass bei einer Umbenennung die Erinnerung an die koloniale Vergangenheit nicht ausgelöscht wird?
  • Sollen dabei Opfer und Gegner des deutschen Kolonialismus mit den neuen Straßennamen gewürdigt werden?

Diese öffentlichen, mehrstimmigen Debatten bilden den Kern unserer Erinnerungskultur in den globalisierten Metropolen. Weiße Flecken Topographie bietet diesen notwendigen, aber höchst polyphonen und kontrovers geführten Diskussionen offene Wahrnehmungsfelder und Projektionsflächen an.
 
 
Weiße Flecken Topographie
Installative Zeichensetzung im Afrikanischen Viertel in Berlin-Mitte (Wedding)
und Einladung zur kreativen Beteiligung
 
Das Ausstellungsprojekt freedom roads! (s. Konzept) wird vom 28.08.2010 bis 03.11.2010 in der Galerie des Kurt-Schumacher-Hauses im August Bebel Institut mit einem neuartigen, wachsenden Format eine kreative und beteiligungsorientierte Ausstellung zum Afrikanischen Viertel in Berlin präsentieren. Nach der beispielgebenden Umbenennung des Berlin-Kreuzberger Gröbenufers in May-Ayim-Ufer regt es damit zur Fortsetzung der gesellschaftlichen Debatte um postkoloniale Erinnerungskultur in der ehemaligen Kolonialmetropole Berlin an. Weiße Flecken Topographie erweitert das Projekt freedom roads! in den öffentlichen Raum hinein und macht auf die Austellung neugierig. Sie erreicht auch Menschen, die die Ausstellung u.U. nicht besuchen.
 
Als 'weiße Flecken' wurden in der kolonialen Imagination solche Regionen - insbesondere in Afrika - bezeichnet, die den Europäern noch unbekannt waren. Solche Landstriche wurden als 'leer' und 'ohne Kultur' imaginiert, als 'jungfräuliche Erde', die nur darauf wartete, von weißen Männern 'erobert' und 'genommen' zu werden. Abenteuerromane schwärmten von 'geheimnisvollen' Landschaften, die
Frauenkörpern ähneln. Das Projekt Weiße Flecken Topographie deutet den Begriff neu und versteht sie als Gedächtnislücken in unserer kollektiven, eurozentristischen Erinnerungskultur.
 
Konkret bezieht sich der Projekttitel Weiße Flecken Topographie auf an Straßenmasten befestigten weißen Flächen, die - unter den vorhandenen Schildern angebracht - auf die bestehenden kolonialen Straßennamen im Afrikanischen Viertel aufmerksam machen. Beharrlich werfen diese Tafeln Fragen auf und laden dazu ein, heutige Inhalte, Wünsche, Wahrnehmungen, Texte und Bilder auf ihre leere, leuchtend-weiße Fläche zu projizieren.
 
 

 

Umsetzung, Prozess

freedom roads! thematisiert im Ausstellungsraum die drei 'Kolonialbegründer', die im Afrikanischen Viertel mit Straßennamen geehrt werden: Petersallee, Lüderitzstraße und Nachtigalplatz. Weiße Flecken Topographie greift ebenso diese drei Straßennamen im öffentlichen Raum auf.

An allen Kreuzungen im Stadtteil werden diese drei Straßen markiert: an den entsprechenden Straßenmasten wird ein zusätzliches Straßenschild mit einer weißen Fläche befestigt. Diese leeren Schilder machen PassantInnen, StadtteilbewohnerInnen und Medien auf die Straßennamen aufmerksam, fordern zur Kommentierung auf und dienen als Folie zur Debatte über die kolonialen Straßennamen. Damit will das Projekt die Beteiligung an der mehrstimmigen, häufig kontrovers geführten Diskussion um Straßenumbenennungen ermöglichen und sie für Formen der Beteiligung und transkultureller Erinnerung öffnen. Die Straßenmasten mit den Kolonialnamen werfen ihre langen schwarzen Schatten gen Süden. Eine Windrose zeigt entlang des Längengrads in die südliche Himmelsrichtung nach Afrika. Es sind in der Art der Schablonenkunst mit Kreidespray (auswaschbar) auf dem Asphalt markierte Symbole.

 

 
 
Beteiligung, Zielgruppen, Dokumentation
 
Nachbarschaftsgruppen, Schulklassen, Black Communities, NGOs, Stadtverwaltung und Bezirkspolitik werden eingeladen, sich aktiv zu beteiligen. Hierfür werden Menschen interviewt und Diskussionsabende im Bezirk organisiert. Die Vernetzung wird von einer intensiven Pressearbeit begleitet.
 
Über schon vorhandene Netzwerke werden Jugendliche und Schulklassen angeregt, Projekte durchzuführen. Dabei werden in Gruppen, im Politik-, Geschichts- und Kunstunterricht Bilder, Collagen und Gedichte entworfen, die einen temporären Platz unter den Straßenschildern und den weißen Plaketten finden, so zu Straßeninstallationen werden und PassantInnen und NachbarInnen ansprechen.
 
Auf dieser Webseite entsteht ein zweiter öffentlicher Raum: ein Forum zur offenen Debatte und Meinungsbildung. Ein (Web)Katalog, der das Projekt Weiße Flecken Topographie und die Ausstellung freedom roads! dokumentiert, ist geplant.
 

Beispiele gestalteter Straßenmasten: Die nach dem 'Kolonialbegründer' Adolf Lüderitz benannte Lüderitzstraße soll umbenannt werden, genauso wie der Nachtigalplatz und die Petersallee. Das in der Größe des Original-Straßenschildes gestaltete strahlend-weiße Schild regt Handlung und Diskussion an und dient als Projektionsfläche für mögliche neue Namen. Bei der Togostraße wiederum handelt es sich um einen Straßennamen, der an eine ehemalige deutsche Kolonie erinnert. Dieser Name kann im Stadtraum bleiben, soll aber mit einer kleinen Zusatztafel kritisch kommentiert werden. Im Rahmen von freedom roads! können Jugendliche und Schulklassen Schilder gestalten, die nach Projektbeendigung wieder abgenommen werden; vor Ort bleiben dann bis zur Umbenennung bzw. zur dauerhaften Kommentierung die weißen Schilder.

 

Nachhaltigkeit

Weiße Flecken Topographie soll nachhaltig wirken und Impulse zur Weiterführung der Debatte über die Projektlaufzeit hinaus geben. Aus diesem Grund wird angeregt, die weißen Schilder über einen längeren Zeitraum vor Ort zu belassen, bestenfalls bis zur Umbenennung/Kommentierung der Straßen.

Ferner gibt das Projekt Impulse sowohl für einen postkolonialen Erinnerungsort Afrikanisches Viertel als auch für eine stadtweite erinnerungskulturelle Markierung der Kolonialtopographie, ähnlich dem Leitsystem zur Erinnerung an die Berliner Mauer oder der 'Topographie des Terrors', die an die Stätte und Opfer des Naziregimes erinnert.

 

 

Kontakt:
HMJokinen, bildende Künstlerin
art [at] freedom-roads [punkt] de

 
In Kooperation mit

Ausstellungprojekt freedoms roads! koloniale straßennamen | postkoloniale erinnerungskultur
 
Berlin Postkolonial e.V. www.berlin-postkolonial.de
 
 

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Weitere aktuelle Informationen auf der freedom roads!-
Website, öffentlicher Teil